Gastbeitrag: Die Sicht einer NT Mutter

Neulich fragte oximoronchen in einem Forum, wie denn die NT – also die neurotypischen – Leser der bunt gemischten Gruppe die Autisten wahrnehmen würden.

Recht spontan kam mir folgender Gedankengang, den ich hier gerne beitrage.

Wie nehme ich Autisten wahr?

Ich bin Mutter, NT (denke ich), mit Aspi Kind 1 (14 Jahre alt), Verdachts-Aspi Kind 2 (12 Jahre alt) und (ziemlich sicher) NT-Kind 3 (8 Jahre alt) plus (NT??) Mann.

Das Gerade-Aus Denken der Aspies erscheint mir mitunter als ‚um die Ecke‘ Denken. Dabei ist es eigentlich umgekehrt. Je mehr ich mich drauf einlasse, desto besser verstehe ich es und merke, wie inkonsistent wir NT’s eigentlich sind. Es liegt eine grosse Wahrheit darin, wie ihr die Welt seht.

Ich merke, wie schwierig es ist, diese Besonderheit anderen, den Menschen in unserem Umfeld, wirklich klar zu machen.
Ich selbst habe die Diagnose von Kind 1, die erst vor 15 Monaten gestellt wurde, anfangs sehr locker genommen, im Sinne von „Aha, Asperger“ *label* so wie man sagen würde „Aha, Lungenentzündung“ und so wie danach kommt „das wird schon wieder“.

Man beginnt zu lesen und sich damit zu beschäftigen. Und je mehr man lernt, je mehr man sich involviert, desto mehr wird klar: die Tragweite ist ja

u n g l a u b l i c h !

Ich bin eine, die viel liest und fragt und recherchiert. Und ich habe das Gefühl, es eröffnet sich mir erst, ich beginne erst zu verstehen, gaaaaaanz langsam.

Ich versuche auch, diesen Prozess, den ich für mich wie eine Evolution erlebe, auch für andere NT’s sichtbar zu machen. Ich will, dass sie dieses „Label“ (was nur wenig bis gar nicht Involvierte mit Sicherheit aufkleben) ernst nehmen.

Ich erzähle z.B. der Klassenlehrerin häppchenweise kleine, scheinbar unbedeutende Vorkommnisse, so dass sie erkennt. Langsam.

Es tut mir weh, wenn ich sehe, wie die Nachbarn (wir wohnen auf’m Dorf) auf der Strasse sich innerlich empören, weil das Kind nicht grüsst.  Mit seinem Alter, wo ist die Erziehung…?

Weil es sich auf sich selbst und den Weg konzentriert. Weil es alles „unnötige“ ausblendet, um normal vorwärts zu kommen und anzukommen. Dabei wissen sie eigentlich, dass es ein Liebes ist. Man kennt sich seit es geboren wurde.

Aber ich kann ja nicht zu jedem hinrennen und vom Autismus Spektrum erzählen. Es passt einfach nicht. Es gehört in dem Moment nicht an diesem Platz, das zu äussern.

Dann rede ich oft von Wahrnehmung, in seiner Welt sein, herumstudieren über die Probleme der Welt, was es blind macht für ein Lächeln und einen Gruss.

Wie ihr seht, habe ich wohl schon den Platz auf dem Stuhl zwischen den Welten eingenommen.

Ich möchte gerne durch „eure“ Gedankenbilder, Alltagssituationen lesen und kennenlernen.

Schöne Momente waren es,

  • wie mein Aspie den „Schattenspringer“ Comics griff, den ich wie beiläufig „platziert“ hatte,
  • wie es ihn bis zu Ende gelesen hat (es liesst schnell und liest nur fertig, was für interessant befunden wird),
  • wie es das Buch *wieder* nahm und *wieder* zu Ende gelesen hat,
  • wie es sich zu mir gesetzt hat, als *ich* endlich dazu kam, es zu lesen,
  • wie es mir synchron Kommentare machte „ah ja, *das* fand ich auch blöd“ oder „ja, genau so geht es mir auch“,
  • wie mir das seine Welt erschloss, Stück für Stück,
  • wie es ihm hilft, dass es erkannt wird,
  • wie es deshalb wieder lachen und froh sein kann,
  • wie es, trotz eines voll verkackten Schuljahres mit allen Tiefen (ohne Höhen), trotzdem wirklich gern zu der gleichen Schule geht (oder gerade deshalb…?),
  • wie es dadurch befähigt wird, so zu sein wie es ist und trotzdem Teil des Ganzen zu sein, weil seine Mitschüler es akzeptieren und die Lehrer ihr Bestes geben.

Ich will mich darauf nicht ausruhen, sondern nie aufhören, alle Seiten zu sehen.

Wie nehme ich „euch“ wahr?

Als extrem integere Menschen. Interessant. Als Herausforderung an „unsere“ Werte. Als Mittler, uns alle auf einen anderen Weg zu bringen.

Klingt das jetzt zu pathetisch? Bitte entschuldigt, aber ich meine es so.

Eure Änätä

Leider hat sich mir noch nicht erschlossen, wie ich Gastbeiträge kommentieren kann, darum tu ich das hier 😃

Es freut mich sehr, dich als Gast in meinem Blog zu haben und ich danke dir sehr, dass du mich (uns) an deiner Perspektive teilhaben lässt.

Oxymoronchen

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Ein Kommentar zu „Gastbeitrag: Die Sicht einer NT Mutter

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